Maria Rauschenberger – Forschungen zur Früherkennung einer LRS

Interview mit Maria Rauschenberger

Name: Maria Rauschenberger
Herkunft: Deutschland
Alter: 31
Beruf: Projektleiterin/ Promovierende
Website: www.mariarauschenberger.net

Wann und wie wurde deine Legasthenie erkannt?

In der zweiten Klasse, weil meine Mutter hartnäckig war. Sie konnte nicht verstehen, wie ich alles Mögliche lernen und machen konnte, aber nicht das Lesen und Schreiben. Dank ihrer frühen Unterstützung kann ich heute sehr  gut und schnell lesen sowie passabel schreiben.

Hatte die Legasthenie Einfluss bei deiner Berufswahl? Wenn ja, inwiefern?

Nein, eigentlich nicht. Ich hatte schon immer viele Ideen und konnte mir viel vorstellen. Allerdings hatte ich Schwierigkeiten, durch meine schlechte Englisch-Note einen dualen Studienplatz zu bekommen, für den ich mich damals interessierte. Dank einer begründeten Absage (Sie sollten Ihr Englisch verbessern und sich dann erneut bewerben), habe ich mir privat ein Auslandsjahr als Aupair in London organisiert und mein Kindergeld für die Sprachschule ausgegeben. Dieses Jahr habe ich gut genutzt: mein Englisch-Niveau auf fast Native Speaker gehoben und mir überlegt, was ich wirklich machen möchte. So fing ich an zu lernen und irgendwie tue ich das heute noch als Promovierende.

Hast du in der Bewerbungsphase preisgegeben, dass du Legasthenie hast?

Nein. Es spielte für mich damals einfach keine große Rolle. Weder in meinem privaten noch im beruflichen Bereich.

Wie hast du die Legasthenie erwähnt und wie sah die Reaktion aus?

Natürlich habe ich weiterhin Rechtschreibfehler gemacht — aber die Leute haben es als Flüchtigkeitsfehler abgetan und ich habe sie meist nicht aufgeklärt, dass ich den Text mehrfach gelesen oder auch durch verschiedene Rechtschreibprogramme habe laufen lassen, weil ich Legasthenikerin bin.

Wie macht sich die Legasthenie im jetzigen Beruf bemerkbar?

Dadurch, dass ich gerne und viel gelesen habe und darin geübt bin — ist Forscherin manchmal zwar anstrengend, weil es viel zu lesen gibt. Dennoch habe ich mir ein Forschungsthema gesucht, für das ich absolut brenne (Die spielerische und frühzeitige Erkennung der Lese-/Rechtschreibstörung mit neuen Technologien). Die meisten Ausarbeitungen und wissenschaftlichen Publikationen werden sowieso mehrfach gelesen und entstehen über einen längeren Zeitraum. Damit finde ich schon viele Rechtschreibfehler selbstständig. Ansonsten suche ich mir jeweils Korrekturleser — das müssen andere Forscher ohne eine Lese-/Rechtschreibstörung aber auch.

Wie wirkt sich die Legasthenie im sonstigen Alltag aus?

Außer als Forscherin kaum noch.

Welche Eigenschaft besitzt du, die aufgrund der Legasthenie besonders ausgeprägt ist?

Frustrationsresistenz und nehme viel mit Humor.
– Ich gebe nicht auf; untersuche sowie bewerte Lösungen und bin kommunikativ.
– Ich übernehme Verantwortung und suche nach Herausforderungen.

Welche Tipps würdest du anderen Legasthenikern auf den Weg geben?

Es ist nicht nötig sich alleine über seine Legasthenie zu definieren. Lesen und Schreiben sind wichtige Werkzeuge die wir in unserer Gesellschaft unter anderem zur Kommunikation oder zum Lernen benötigen. Es sind aber nicht die einzigen. Außerdem hat jeder auch Stärken und die gilt es zu finden, zu fördern und seine eigenen Lösungen für den Alltag erfolgreich einzusetzen.

Du forscht zum Thema Erkennung der LRS mit neuen Technologien — Worum geht es genau?

Die Lese-/Rechtschreibstörung (LRS) führt zu Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben (Offizielle Definition ICD-10 oder DSM5). Dabei liegt jedoch keine verminderte Intelligenz vor. Oft werden Kinder erst aufgrund ihrer sehr schlechten schulischen Leistungen in der vierten Klasse oder später entdeckt. Bis dahin sind der Leidensdruck und die Frustration bei Kindern und Eltern bereits sehr hoch. Da das Kind beschuldigt wird, nicht genug zu lernen und die Eltern beschuldigt werden, nicht genug zu helfen.

In Deutschland sind 5 bis 12 % von der LRS betroffen. Selbst bei ähnlichen sozialen Strukturen, Intelligenzgrad und Trainingsaufwand haben Vergleichsstudien gezeigt, dass Kinder mit einer LRS sehr viel länger für gute Schulleistungen benötigen und später eine höhere Rate der Arbeitslosigkeit aufweisen als die Kontrollgruppe ohne LRS.

Deshalb ist es wichtig, Kinder mit einer LRS frühzeitig zu erkennen, um ihnen somit mehr Zeit zum Lernen zu ermöglichen, Frustration beim Lernen zu verhindern und das Selbstbewusstsein zu stärken. Mit einem guten Selbstbewusstsein können sich außerdem die Stärken des Kindes besser entwickeln, so dass ein Ausgleich zum mühsamen Erlernen der Schriftsprache gebildet und Berufschancen entstehen können. Da Kinder im jungen Alter (vor der Schule) meist noch keine Buchstaben oder Wörter gelernt haben, sind die herkömmlichen Rechtschreibtests keine Option.

Das Spiel „MusVis“ enthält musikalische und visuelle Elemente anhand deren durch den Vergleich von zwei Gruppen ein Unterschied in der Spielweise zwischen Kindern mit und ohne eine LRS festgestellt wird. Die Vorstudie wurde bereits durchgeführt und wird gerade analysiert.

Wir suchen gerade noch Teilnehmer mit einer festgestellten Lese-/Rechtschreibstörung im Alter von 7 bis 12 Jahren. Teilnehmer können sich über unsere Webseite direkt anmelden und können dann bequem von zu Hause mitmachen.
https://mariarauschenberger.net/2017/02/16/2017_teilnehmer/

04.Oktober 2017

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